Vom 25. bis 27. Juni fand in Groningen, Niederlande, das zweite Urban Living Lab des Interreg-Europe-Projekts UrbCitizenPower statt. Neben Partner*innen aus Kiel, kamen Braga (PT), Groningen (NL), Guldborgsund (DK), Pori (FI) und Košice (SK) sowie die Region Zentralmakedonien mit Thessaloniki (GR) in der grünen Stadt an der Hunze zusammen. Leadpartnerin des Projekts ist die Heinrich-Böll-Stiftung.

Ein Blick zurück: Das erste Projektjahr
Das Projekt UrbCitizenPower will die größte Ressource der Stadtentwicklung stärken: die kollektive Innovationskraft der Einwohner*innen. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit den Kommunen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln – von der Gestaltung öffentlicher Räume über kulturelle Strategien bis hin zu mehr sozialem Zusammenhalt.
Das Interreg-Projekt startete im April 2024 mit dem Kick-Off in Kiel, bei dem sich die Partner*innen kennenlernten. Der Grundstein für vertrauensvolle Zusammenarbeit und gemeinsamen Austausch wurde gelegt – die Partner*innen tauschten erste Ideen aus und etablierten zwei thematische Arbeitsgruppen, die sich mit dem New European Bauhaus (Neues Europäisches Bauhaus) und weiteren Schlüsselthemen beschäftigen.
Urban Living Lab in Braga: Das erste Zusammenwachsen
Vom 5. bis 8. Februar 2025 fand das erste Urban Living Lab in der wunderschönen Stadt Braga, Portugal statt. Unter dem Motto „Empowering Citizens: Technology, Culture, and Creativity as Tools for Participatory Urban Decision-Making“ (Bürger*innen stärken: Technologie, Kultur und Kreativität als Werkzeuge für eine gemeinsame Gestaltung städtischer Entscheidungen) erlebten die Partner*innen ein inspirierendes Programm.
Eigens für das Projekt entwickelt, führte ein Audiowalk die Teilnehmenden in kleinen Gruppen auf eine thematische Entdeckungsreise durch Braga. Unter anderem begleitete die angenehme Stimme eines engagierten Priesters der Gemeinde die Erkundung der Nachbarschaft – ein unvergessliches Erlebnis, das die Bedeutung digitaler Tools zur Neugestaltung öffentlicher Räume eindrucksvoll vor Augen führte.
Ein weiteres Highlight war die engagierte Diskussion mit lokalen Akteuren darüber, wie die Innenstadt für Studierende attraktiver gestaltet werden kann, die sich häufig nur auf dem Campus – abseits der Innenstadt – aufhalten.
Besonders wertvoll war die Präsentation der Braga Cultural Strategy 2020–2030 von Joana Meneses Fernandes, ehemalige Koordinatorin der Strategie und heute Executive Administratorin der städtischen Kulturorganisation Faz Cultura / Teatro Circo de Braga. Sie gab einen spannenden Einblick in die kulturpolitischen Leitlinien der Stadt und verdeutlichte dabei deren enge Verbindung zur Urban Living Lab-Methode.
Abgerundet wurde das Treffen in Braga durch eine mitreißende Dinner-Rede von Charles Landry, dem international renommierten Stadtentwicklungspionier, der die Bedeutung von Kreativität und Bürgerbeteiligung in der Stadtgestaltung eindrucksvoll herausstellte. Das Urban Living Lab wurde zum Ort des ersten Zusammenwachsens der Partner*innen, die hier begannen, sich als echtes Team zu verstehen.
Das Sahnehäubchen des ersten Projektjahres war das gemeinsam produzierte Projektvideo mit gefilmten Szenen aus Braga, das eindrucksvoll die Ziele und Highlights von UrbCitizenPower zusammenfasst.
Empowering Citizens: UrbCitizenPower Project Video - Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein

Zweites Urban Living Lab: Groningen als Bühne für kreatives Stadtdenken
Vom 25. bis 27. Juni 2025 führte das zweite Urban Living Lab die Partner*innen in die lebendige Stadt Groningen in den Niederlanden. Organisiert von der Gemeinde Groningen, bot die Veranstaltung einen fruchtbaren Boden für Ideen und intensiven Austausch.
Der Zusammenhalt der Partnerschaft war deutlich spürbar – im Vergleich zum Kick-Off und Braga waren die Teams noch enger zusammengerückt. Bei der Vorstellung neuer Good Practices wurde mitgefiebert, und in einem Speed-Dating der Policy Instruments konnten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Städte tiefgreifend analysiert werden – eine wertvolle Grundlage für die künftige Zusammenarbeit.
Gleich zu Beginn des Urban Living Labs in Groningen stand ein besonders inspirierendes Beispiel für direkte Bürgerbeteiligung im Fokus: In der kleinen Nachbargemeinde Hoogkerk entwickeln und realisieren Bürger*innen eigene Projekte, die das Leben vor Ort nachhaltig und spürbar verbessern. Dieses erfolgreiche Modell von Sterk Hoogkerk zeigt eindrucksvoll, wie Engagement auf Nachbarschaftsebene neue Impulse für Stadtentwicklung und Gemeinschaft schafft.
Experimentelle Stadterkundungen: Nah dran an Stadt, Mensch und Tier
Anschließend sorgte der Neighbourhood Walk für Begeisterung: In kleinen Gruppen erkundeten die Partner*innen verschiedene Nachbarschaften, wobei sie die partizipative Methode der „Design Guideline“ erforschten. Dabei wurden Fragen gestellt wie: Ist das Viertel sicher? Gibt es genügend Grünflächen? Wie kinderfreundlich ist die Umgebung? Wie sicher sind die Straßen für Fußgänger*innen? Und wie präsent ist Kunst im öffentlichen Raum? Eine Katze, die eine der Gruppen während des gesamten Spaziergangs begleitete, verlieh der Tour eine besonders charmante Note.
Der zweite Tag stand dann ganz im Zeichen des innerstädtischen Walks, geleitet von Jaco Kalfsbeek, Landschaftsarchitekt der Stadt Groningen. Trotz strömenden Regens während der gesamten Tour hörten die Teilnehmenden dem Redner gebannt zu, der eindrucksvoll über die aktive Stadtgestaltung in Groningen berichtete. Großen Zuspruch erhielt er besonders bei den Schilderungen des mutigen Schritts, als vor einigen Jahren den Auto- und Busverkehr aus dem Innenstadtbereich von Groningen verbannt wurden.
Zukunft gestalten: Placemaking und innovative Mobilitätskonzepte
Im Veranstaltungszentrum De Puddingfabriek, eine ehemalige Puddingfabrik, die heute als kreativer Raum genutzt wird, folgten zwei inspirierende Vorträge: Lisette van Rhijn von STIPO aus den Niederlanden erklärte das Konzept des Placemaking. Sie betonte, dass es bei erfolgreicher Stadtgestaltung nicht nur um Beteiligung, sondern um echte Co-Creation gehe – um die gemeinsame Gestaltung der Umwelt durch engagierte Einwohner*innen. Das Zitat von Fred Kent (Stadtplaner und Mitbegründer der internationalen Bewegung für „Placemaking“) brachte es auf den Punkt:
If you plan cities for cars and traffic, you get cars and traffic. If you plan for people and places, you get people and places.
Das Thema Mobilität im urbanen Raum vertiefte Prof. Dr. Marco te Brömmelstroet von der Universität Amsterdam. Er hielt eine fulminante Rede über die Zukunft der Mobilität. Sprache und Kultur formen unsere Wahrnehmung der Realität – auch die von Straßen und öffentlichen Räumen. Seine Rede begann mit dem Bild von Yoko Ono und John Lennon im Bett des Hilton in Amsterdam, wo ihre „Bed-In“-Revolution stattfand. Auf dem bekannten Bild ist auch ein Hollandrad zu sehen. Mit einer Ukulele performte er eine umgedichtete Version von John Lennons „Imagine“, in der er sich attraktive Radwege wie Highways vorstellte – ein visionärer Ausblick auf nachhaltige Stadtentwicklung und glückliche Radfahrer*innen in Städten.
Am dritten Tag reflektierten die Partner*innen die Ergebnisse und entwickelten Strategien, um die Sichtbarkeit der Projektaktivitäten künftig deutlich zu erhöhen. Den Abschluss bildeten herzliche Verabschiedungen – verbunden mit großer Vorfreude auf die nächsten gemeinsamen Schritte.
Ausblick: Thessaloniki wartet!
Nach den intensiven Tagen in Groningen geht es mit viel Schwung weiter. Die Partner*innen nehmen die im zweiten Urban Living Lab gewonnenen Erkenntnisse zu Good Practices und Policy Instruments mit in ihre Städte, um diese gezielt weiterzuentwickeln und in lokale Strategien zu integrieren. Im Dezember 2025 treffen sich die Akteurinnen erneut – beim dritten Urban Living Lab in Thessaloniki, Griechenland. Die Partner*innen der Region Zentralmakedonien, die auch die thematische Arbeitsgruppe zum New European Bauhaus leiten, werden ihre Expertise einbringen und neue Impulse für Bürgerbeteiligung und Stadtgestaltung setzen. Wir sind gespannt!
Das Projekt UrbCitizenPower: Empower citizens for agency as driver for change in cities (Bürger*innen stärken für Handlungsmacht als Treiber des Wandels in Städten) wird im Rahmen des Interreg Europe Programms 2021–2027 der Europäischen Union kofinanziert und läuft vom 1. April 2024 bis zum 30. Juni 2028.