Energiewende durch Bürgerstrom (6/16)

Podcast

In dieser Folge wollen wir über das Thema Parkplatz PV sprechen, also Photovoltaikanlagen auf großen öffentlichen Parkplätzen mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Ein Gespräch aus Jena mit zwei BürgerEnergiegenossenschaften.

Lesedauer: 11 Minuten

Wie sieht Bürgerstrom, also Ökostrom in Bürgerhand aus? Warum machen Photovoltaikanlagen gerade auf Parkplätzen Sinn und wer profitiert davon? In dieser Folge aus Thüringen lassen wir uns von zwei Energiegenossenschaften inspirieren und vielleicht doch den Zusammenhang zwischen Energie- und Mobilitätswende an praktischen Beispielen erklären.

Podcast mit:

Petra Dahl: Autorin und Produzentin von Wissenschaftsfilmen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen

Johannes Graupner: Aufsichtsratsvorsitzender der Bürgerkraft Thüringen eG

Sonja Gonschorek: Vorstandsmitglied der BürgerEnergie Jena eG

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Diese Podcastreihe wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Wirtschaften mit Zukunft“ konzipiert.

Shownotes:

Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen: https://www.boell-thueringen.de/de

BürgerEnergie Jena eG: http://www.buergerenergie-jena.de/

Bürgerkraft Thüringen eG: https://buergerkraft.thueringer-landstrom.de/start.html

 

Transkript:

Intro: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll.Regional“, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen.

Diese Staffel dreht sich um die Frage nach einem Wirtschaften mit Zukunft. Wir werden dabei Projekte und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentieren, die uns Wege zu einem nachhaltigen Wirtschaften zeigen.

Petra Dahl: Hallo, ich bin Petra Dahl von der Heinrich Böll Stiftung Thüringen und ich habe mich heute in Jena mit Sonja Gonschorek und Johannes Graupner getroffen. Sonja arbeitet ehrenamtlich für die BürgerEnergie Jena und Johannes für die BürgerKraft Thüringen. Das sind beides Genossenschaften, die zum bundesweiten Verbund der BürgerEnergiegenossenschaften gehören. Willkommen, liebe Sonja, lieber Johannes, hier im Studio von Bürger Radio OKJ in Jena. Wir wollen über das Thema Parkplatz PV sprechen, also Photovoltaikanlagen auf großen öffentlichen Parkplätzen mit der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Das klingt interessant und ich bin schon sehr gespannt, was ich von euch beiden heute darüber erfahren werde. Zuerst mal wüsste ich gerne, wie ihr zu diesem Thema gekommen seid. Was war eure Motivation?

 

Sonja Gonschorek: Hallo, von meiner Seite. Klima und Umweltschutz hat mich schon immer interessiert. Bin auch beruflich in der erneuerbaren Branche unterwegs, aber Dezentralität und Energie zurück in Bürgerhand spielt dabei eine große Rolle. Und so bin ich auch engagiert in der BürgerEnergie Jena. Also seit Anfang des Jahres bin ich dort im Vorstand und wir kümmern uns um alle möglichen Themen, die wir gerade akquirieren können, um die Energie zurück zu den Bürgern zu bringen.

 

Johannes Graupner: Hallo von mir, ich bin Johannes und seit Jahrzehnten im Bereich Umweltschutz aktiv. In den letzten zehn Jahren bei der BürgerEnergie Jena und inzwischen auch bei der BürgerKraft Thüringen und dort in beiden Fällen mit dem Thema Energiewende befasst. Parkplatz PV kam vor ungefähr anderthalb Jahren als relevantes Thema auf dem Weg zur Klimaneutralität auf. Und da wir als BürgerEnergie Genossenschaften daran interessiert sind, die Energiewende mit eigenen Projekten voranzutreiben, haben wir das Thema natürlich aufgegriffen. Und ansonsten Ich habe einfach noch ein Kind und ich denke an deren Zukunft.

 

Petra Dahl: Und man sieht ja inzwischen viele Photovoltaikanlagen auf Freiflächen. Wenn man Zug fährt sieht man das, auf der Autobahn, an den Flächen rechts und links. Man fährt daran vorbei. Warum sind denn solche Anlagen auch auf Parkplätzen relevant?

 

Sonja Gonschorek: Also erstens, weil die Flächen schon versiegelt sind. Es macht ja immer Sinn, erst mal die Dächer und andere versiegelte Flächen zu nutzen und nicht auf das freie Feld zu gehen und wieder Fläche zu versiegeln. Und dann ist bei Parkplätzen eben auch ganz klar, dass der Verbraucher ja vor Ort ist, also dass dort die Energie gleich unmittelbar genutzt werden kann, zum Beispiel in Supermärkten oder großen Firmen. Und wenn es ganz große Verbraucher sind, hat man auch gleich den Pluspunkt, dass die Einspeise-Infrastruktur da ist.

 

Johannes Graupner: Ja, der Parkplatz PV, also die Nutzung als Stromgenerator, ist einfach eine zusätzliche Nutzung, die sich nicht beißt mit anderen Nutzungen. Wenn Freiflächen PV und selbst PV die Fläche wegnehmen, kann die Parkplatz PV koexistieren mit den vorhandenen Nutzungen. Und ich bin auch im Vergleich zu Dachflächen unabhängig von irgendwelchen Zyklen für die Dachhauterneuerung. Ich habe keine Gefahr, dass ich die Dachhaut stoße und damit das Wasser ins Haus rein kriege und das macht einfach Parkplatz PV sehr interessant.

 

Petra Dahl: Und wie kann der Strom von der Photovoltaikanlage auf dem Parkplatz erzeugt wird dann auch genutzt werden?

 

Sonja Gonschorek: Der Verbraucher ist ja meistens angrenzend. Parkplätze sind ja da, wo Menschen dann auch schaffen oder andere Dinge machen wollen, wie Einkaufen in Supermärkten etc. Und dort kann eben der Strom dann unmittelbar in den Verbrauch gehen. Oder aber es bieten sich andere Dinge an wie Ladesäulen oder denkbar ist natürlich auch, dass ein Nachbar mitversorgt wird. Wobei wir da natürlich noch ein bisschen am Anfang der Entwicklung sind. Thema Energie -haring, das ist ja noch im Kommen.

 

Petra Dahl: Genau das ist auch meine Frage. Gleich darauffolgend wie was hätten denn die Bürgerinnen und Bürger davon? Wie könnten die partizipieren?

 

Sonja Gonschorek: Also direkt natürlich. Wenn sie sich beteiligen an der Anlage, dann sind sie ja Mitbetreiber, Mitbesitzer dieser Anlage. Wenn Sie jetzt in den Genuss kommen, die Energie zu nutzen über Energie-Sharing später werden sie Netzgebühren sparen können und dadurch günstiger Strom bekommen. Aber Sie profitieren natürlich auch, wenn eine Anlage über dem Parkplatz ist, dass zum Beispiel die Verschattung auf den Autos da ist, die Autos kühler sind. Ja, und wenn Ladestationen sind, natürlich dann auch direkt der Strom genutzt wird für Ihr Auto.

 

Petra Dahl: Und gibt es so was schon so Photovoltaikanlagen auf Parkplätzen in Deutschland, oder ist das was ganz Neues?

 

Johannes Graupner: Es gibt kleine Projekte, zum Beispiel von der BürgerEnergie Genossenschaft Insel Werke auf Usedom, die mit einer Carportartigen Bauweise und nur wenigen Stellplätzen pro Anlage Parkplatz PV betreiben, auch wirtschaftlich betreiben. Auch Privatleute legen sich zum Teil PV Module auf ihr Carport. Letztlich ist auch das eine Art von Parkplatz PV. An größeren Projekten gibt es zum Beispiel an der Luftseilbahn Jakobsbad Kronberg - das ist im Osten der Schweiz - ein großes Solaranlage mit 4000 Quadratmetern Parkplatz Fläche, was ungefähr 250 Parkplätzen entspricht. Einerseits soll es Strom liefern, dieses Dach, andererseits ist es deshalb ein Feindach, damit man dort in der Schweiz keine Schwierigkeiten mit der Schneelast bekommt. Sprich im Winter wird das einfach zusammengefahren. Was allerdings auch Kostenmäßig und auch Wartungsmäßig eine relativ teure Anlage ist. In Thüringen haben die Firmen Profectus in Suhl und Bosch in Eisenach sich vor wenigen Jahren je einen größeren Parkplatz mit Parkplatz PV überdacht und insgesamt ist auch bundesweit das Thema im Kommen. Es gibt verschiedene Anbieter. Wenn man im Internet sucht, ploppen sofort etliche auf, die Parkplatz PV Lösungen bieten und in den verschiedenen Bundesländern wird über eine Pflicht zu Parkplatz PV nachgedacht. Dabei haben Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen diese bereits eingeführt.

 

Petra Dahl: Und habt ihr Kontakte zu Betreibern solcher Anlagen? Also tauscht ihr euch da aus?

 

Johannes Graupner: Ja, mit den schon erwähnten Insel Werken auf Usedom haben wir während der Corona Zeit eine längere Videokonferenz gehabt, um von deren Erfahrungen zu lernen, wie sie wirtschaftlich so Kleinanlagen betreiben können. Und die Anlage in Suhl bei Profectus die haben wir besucht mit den dort Verantwortlichen längere Zeit diskutiert. Profectus ist auch sehr zufrieden mit der Anlage. Es ist für sie wesentlich schneller wirtschaftlich geworden, als sie es ursprünglich gedacht haben. Und wir stehen auch in Kontakt mit einem Anbieter von Seilzug Systemen, der seine Seilzug Anlagen für Parkplatz PV optimiert hat und nun eine erste Demonstrations Anlage in Ungarn aufbaut. Persönlich verspreche ich mir von der Seilzuganlage vor allem für größere Parkplätze viel, weil sie mit verhältnismäßig wenig Material auskommt und von der Ästhetik her eine gewisse Luftigkeit ausstrahlt.

 

Petra Dahl: Und was kostet so was? Ganz allgemein gesprochen so ein Parkplatz Photovoltaikanlage?

 

Johannes Graupner: Na ja, eine Parkplatz PV ist eine eher teure Lösung. Zeigt sich auch daran, dass im EEG die Parkplatz Erträge gesondert vergütet werden mit einem etwas höheren Satz. So ganz allgemein könnte man sagen Freiflächen PV kriegt man ab etwa 1.200 € pro Kilowatt Peak, also pro Kilowatt Maximalleistung, die man installiert hat. Eine Dach PV hat ungefähr 1500 und einen Parkplatz PV ungefähr 1800 Kilowatt Euro pro Kilowatt Peak.

 

Petra Dahl: Also, das heißt, es ist schon die teuerste Methode, eine Photovoltaikanlage zu bauen?

 

Johannes Graupner: Letztlich ja, relativiert sich, wenn man mitberücksichtige, dass ich darunter den Parkplatz habe und damit die doppelte Nutzung.

 

Petra Dahl: Okay. Und ihr seid ja auch hier in Thüringen aktiv. Welche Projekte verfolgt ihr denn gerade hier? Und also um Photovoltaik auf Parkplätzen zu errichten hier in Thüringen.

 

Sonja Gonschorek: Also wir prüfen derzeit eine ganze Reihe von Projekten und da so viele Dächer noch unbesetzt sind mit Solar, sind es eigentlich unsere ersten Ansatzpunkte, in den wir gerade gehen. Einfach weil es ist ja gesagt, wo noch etwas die günstigere Variante ist, Solar Project umzusetzen. Natürlich gucken wir aber auch Richtung Parkplätze, weil es ja ein sehr sinnvoller Einsatz ist. Und da haben wir drei Projekte, die wir etwas näher betrachten. Das ist einmal an der Uni, dann an einem großen Supermarkt hier im Stadtgebiet und das dritte ist beim Klinikum. Genau. Aber das sind alles noch so weit am Anfang stehende Projekte. Das war noch nicht konkreter werden können an der Stelle. Die Vorbehalte sind halt da auch. Also gerade am Parkplatz mit Autos, mit brennbares Material. Da gibt es gewisse Vorbehalte, die noch überwunden werden müssen. Und die Flächen gehören ja auch denen, also gehören jemanden. Und derjenige muss auch bereit sein, mit uns sich auch Langzeit zu binden für so ein Projekt.

 

Petra Dahl: Wie könnte diese Vorbehalte oder kleinen Probleme, die es dann noch gibt, ausräumen?

 

Sonja Gonschorek: Wahrscheinlich eher setzt es sich durch, je mehr solche Anlagen gibt. Dann gibt es Erfahrungen und dann wird das auch im Kommen sein. Aber da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten von unserer Seite.

 

Petra Dahl: Also da gibt es dann auch so einen Austausch, wahrscheinlich auch in ganz Deutschland, so von den Erfahrungen der anderen. Worin seht ihr denn euren Beitrag für ein Wirtschaften mit Zukunft?

 

Johannes Graupner: Eigentlich wäre es schön. Wir Bräuchten hier so viele große Parkplätze. Aber so weit sind wir noch nicht. Mobilität müsste insgesamt anders gedacht werden und gelebt werden. Und die Frage stellt sich Muss wirklich jeder mit seinem eigenen Fahrzeug überall hinfahren? Und das ist ja der eigentliche Grund, warum wir überhaupt große Parkplätze haben, die jetzt für Parkplätze PV relevant werden. Ja, wir sind nicht so weit, also nutzen wir das, was eben doch vorhanden ist, Weil wir müssen schnell auch mit der Energiewende vorankommen. Und darum ist unser Ziel, die vorhandenen Flächen zusätzlich zu nutzen und dabei die Bürger miteinzubeziehen, sowohl was die Planung angeht, als auch was die Finanzierung angeht. Dass die Bürger dann auch eine Rendite haben aus Geld, das sie einbezahlen, entweder als Mitglied in der Bürgerenergie oder als Darlehen, das sie uns geben. Ziel ist letztlich, die Finanzierung und die Energiewende in Bürgerhand zu bringen und nicht bei den großen Monopolen zu belassen. Und in dem Zusammenhang auch Aufklärung betreiben, Nachdenken über das eigene Energie verhalten bei den Leuten zu erzeugen, anzuregen. Und ja, wir sitzen in Jena. Vor zwei Tagen ist hier im Stadtrat der Klima Aktionsplan mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2035 verabschiedet worden. Darin sind auch PV Ziele definiert, unter anderem mit Blick auf Parkplatz Flächen. Das wollen wir unterstützen.

 

Petra Dahl: Da habt ihr ja gute Karten. Und was wünscht ihr euch für die Zukunft in Bezug auf Parkplatz Photovoltaik mit Bürger:innenbeteiligung?

 

Sonja Gonschorek: Wir wünschen uns natürlich, dass immer mehr Menschen dazu kommen, sich auch zu beteiligen an solchen Bürgerenergie Genossenschaften. Da gibt es noch ganz viel Potenzial. In Jena sind wir eine sehr stark aufgestellte Bürgerenergie Genossenschaften. Das ist in Thüringen andere Orts ein bisschen anders aus. So kommen die Menschen dazu, “Prosumer” zu werden. Also sie haben Anlagen, die erzeugen und sie konsumieren Energie. Das bringt die Energie zurück in die Bürgerhand. Und gleichzeitig tut es was fürs Klima. Und das wünschen wir uns auf Parkplätzen wie auf Dächern.. Ja, im ganzen Land.

Petra Dahl: Okay. Herzlichen Dank, liebe Sonja, lieber Johannes, für das sehr spannendes Gespräch. Ich habe eine Menge gelernt und wünsche euch viel Energie und Erfolg für eure Projekte, für die Zukunft. Und ja, das war's auch schon. Das war der Podcast zum Thema Photovoltaik auf Parkplätzen von der Heinrich Böll Stiftung Thüringen. Wer mehr darüber wissen will, findet unten auf der Seite weiterführende Links und Informationen. Vielen Dank fürs Zuhören. Tschüss.

Sonja Gonschorek und Johannes Graupner: Tschüss. Danke.

 

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Dieser Artikel erschien zuerst hier: petrakellystiftung.de